Die vergange Woche stand, wie angekündigt, ganz im Zeichen
des Midterm-Seminars, welches auf einer abgelegenen Hacienda stattfand. Niemand
war so richtig begeistert, da es ziemlich kalt war, Strom nur wenig vorhanden
war (2 Solarpanelen sind einfach nicht genug), das Essen wenig war und vor
allem kein Internet verfügbar war. Dazu kam der zum Hauptthema erklärte
erzwungene Wechsel, der die sonnenverwöhnten Freiwilligen nicht wirklich
motivierte. Das Seminar hätte also nicht schlechter anfangen können und es
hörte auch nicht auf. Der erste Kritikpunkt war von vorneherein klar: Warum ein
Midterm-Seminar schon im Dezember, nach gerade mal 3 Monaten? Klar, der
Wechsel, aber das hätte man ja auch auf einem gesonderten Seminar machen
können. Doof war auch, dass die Informationen nicht neu waren und wir die
Themen die angesprochen wurden (ausgenommen der Wechsel) schon in Deutschland
durchgenommen haben. Sowas wie: Was sind die Unterschiede zwischen Deutschland
und Mexiko? Was willst du für Projekte verwirklichen? Was bedeutet für dich der
Kulturschock? Das sind alles sehr anstrengende Fragen und haben einfach nicht
in die Situation und auf das Seminar gepasst. Niemand wusste so recht wie sein
neues Projekt wird, hatte mit dem alten schon abgeschlossen und konnte nun
wirklich noch nicht groß beschreiben, wie er seine Ideen im neuen Projekt nach
dem Wechsel verwirklich konnte. Das Seminar endete wie geplant Samstag, leider
mit 5 Lebensmittelvergiftungen. Nun aber genug von den Kritikpunkten, denn es
gab auch sehr schöne Aspekte des Seminars. Man hatte einfach mal Ruhe ohne den
Alltagsstress und es war schön, mal wieder alle Freiwilligen zu sehen,
Erfahrungen und Geschichten auszutauschen. Außerdem war es auch mal warm, wenn
die Sonne aufgegangen war. Die Highlights waren aber das allabendliche Feuer
und vor allem ein Haufen von um die 8 Hundewelpen, die waren echt süß. Leider
hab ich mich ein wenig erkältet und jetzt ein bisschen Husten, aber immerhin
besser als eine Lebensmittelvergiftung.
Vormittags |
Aaron, Marius und ihr Baby |
Am Samstagabend durften wir noch bei Javier (ein Student der
bei vive México arbeitet und auch auf dem Seminar war) Zwischenstopp machen und
mit ihm auf eine Studentenparty gehen. Hier betrinkt man sich an den Wochenende
vor Weihnachten wohl gerne. Die Feier war aber nicht so spektakulär und wir
sind recht früh gegangen.
Leider endete das Wochenende ziemlich traurig. Als wir
ankamen berichtete und unsere Gastmutter, das Yuri sich Sonntagmorgen in ihrem
Zimmer erhängt hat. Sie ist die Enkelin von unseren Gasteltern und noch
schlimmer, eine gute Freundin von uns gewesen. Wir hatten schon ein paar
Ausflüge mit ihr gemacht, waren zusammen mit ihr auf der Hochzeit und wollten
eigentlich noch einige Sachen unternehmen. Sie auch immer so fröhlich und glücklich
und niemand weiß, warum sie sich das Leben genommen hat. Viel schlimmer ist es
aber für die Familie. Ihre beiden Brüder (auch schon Studenten) sind super nett
und wir haben uns ziemlich gut mit ihnen verstanden und jetzt mussten wir vor
sie treten und sie in den Arm nehmen, weil ihre Schwester tot ist.
Yuri mit Rose |
Noch vor einer Woche am Sonntag, saßen wir bei der Familie
im Haus, mit allen Cousins, Tanten und Onkels, haben fröhlich Vögelchen
gegessen und gelacht. Gestern saßen wir still im Hof, überall Stühle damit das
Dorf vorbeikommen kann und mit die Familie begleiten kann. Die Nachbarn
schenken Tee und Kaffee, gelegentlich auch Tequila aus. Auf der Straße sind
überall Leute mit starren Mienen, es wird über den Grund getuschelt und ab und
zu quäkt ein Kind. In einen Nebenzimmer liegen die Brüder mit ihrer Mutter auf
dem Bett und starren gegen die Wand, der Vater versucht sich abzulenken und
rennt überall rum – so richtig wissen, was er machen soll, tut er aber auch
nicht. Unsere Gastschwester liegt eine Reihe hinter uns ihrer Mutter in den
Armen und kämpft gegen die Tränen an, die Sonnenbrille hat sie schon länger
abgesetzt.
mit Yuri im Innenhof |
Aaron und ich brauchen viel Mut zum aufgebarten Leichnam zu
gehen. Man sieht nur ein Teil des Gesichts und die gefalteten Hände (niemand
will die Spuren sehen, die von 4 Minuten qualvollem Tod stammen). Man kann die
Situation immer noch nicht fassen, der Boden schwankt und man konnte nicht mal
einen Gedanken für ein Gebet fassen. Also standen wir nur da und schauten uns
die Person an, die dort in dem weißen Sarg lag und versuchten jede Einzelheit,
vom goldenen Diadem, bis zu den Stoffsternen auf der grünen Seidendecke, um es
nie wieder zu vergessen. Dass die Person Yuri ist, kann man immer noch nicht
fassen.
Ich hoffe, sie hat ihr Glück gefunden.
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